Balthus

"Einer der abseits steht, wird von den Leuten, von denen er sich abseits hält, gern ins Abseits gestellt", beginnt Claude Roy seine Monographie über Balthus und spricht damit ein merkwürdiges Phänomen an: Warum ist der Maler, über dessen künstlerische Leistung längst kein Zweifel mehr besteht, heute noch immer so unpopulär wie eh und je? Warum gibt es so wenig Literatur zu Balthus? Warum wird er in der Kunstgeschichte so oft stillschweigend übergangen? Claude Roy versucht, diese Fragen zu beantworten. Für das konservative Publikum waren Balthus‘ erotische Suggestionen eine unerträgliche Provokation. Den Theoretikern der Avantgarde war sein Festhalten an der gegenständlichen Malerei ein Dorn im Auge. Künstlerkollegen legten sein distanziertes, einzelgängerisches Wesen als Arroganz aus. Allein an den anderen aber kann es nicht gelegen haben, daß Balthus im Kunstgeschehen ein Außenseiter geblieben ist. Roy, der Biograph, Bewunderer und jahrzehntelanger, enger Freund des Malers, läßt keinen Zweifel daran, daß dessen Isolation selbstgewählt, die Irritationen im Umgang mit Kollegen und Gönnern oft mit Vorbedacht provoziert waren. Das Buch zeigt das Bild eines eigenwilligen Mannes, der, früh von seinem Wert überzeugt, in allen Lebenssituationen gerne Herr der Lage war: „Seinem Vergnügen gesellt sich ein Anflug von Bosheit hinzu“ -- das führt zwangsläufig zu Brüchen. Roy vermittelt ein detailreiches Lebensbild, gibt kenntnisreiche Hinweise zur Interpretation der oft hermetischen Bilder und läßt den Künstler an vielen Stellen selbst zu Wort kommen. Der großformatige, hochwertig gedruckte, mit zahlreichen, teils ganzseitigen Farbreproduktionen ausgestattete Hardcover-Band zeigt einen repräsentativen Querschnitt der Balthusschen Figurenwelt -- von den 20ern bis Mitte der 90er Jahre. Dabei wird deutlich, daß die Bandbreite seines künstlerischen Schaffens weit über die gespenstischen Jungmädchenakte, die ihn bekannt gemacht haben, hinaus geht. Vor allem seine Porträts und Landschaften sind bemerkenswert. Mag Claude Roys Begeisterung auch mitunter etwas über das Ziel hinausschießen -- die Gemälde vor Augen wirkt sie unweigerlich ansteckend. --Christian Demand