Mein Warenkorb

Der Leuchtturm von Hope Harbor

Neubuch

17,00 €
sofort lieferbar

Details zum Buch

Beschreibung

Kapitel 1 Er hatte einen Leuchtturm geerbt? Ben Garrison starrte den dunkelhaarigen Anwalt ungläubig an. Schließlich atmete er die salzige Meeresluft ein, die durch das offene Fenster hereindrang, und rieb sich übers Gesicht. Das konnte doch nicht wahr sein! So etwas würde Skip ihm nicht antun. Das lag bestimmt an seinem Jetlag, schließlich war er Stunden unterwegs gewesen, bis er endlich an der Küste von Oregon angekommen war. Er war definitiv neben der Spur. Die häufigen Schwankungen des Luftdrucks konnten das Gehör eines Menschen beeinträchtigen. Bestimmt hatte er sich verhört. Er war diese Reise angetreten, um Abschied zu nehmen und sich ein paar Wochen zu entspannen. Von einem Leuchtturm war nie die Rede gewesen. Er nahm seine Kaffeetasse und ließ den Blick, den man aus dem Fenster hatte, auf sich wirken. Normalerweise hatte die friedliche Kulisse der schaukelnden Boote im geschützten Hafen von Hope Harbor eine beruhigende Wirkung auf ihn. Heute war davon jedoch nichts zu spüren. Er holte tief Luft und konzentrierte sich wieder auf den Mann, der ihm gegenübersaß. 'Sagen Sie mir bitte, dass ich Sie falsch verstanden habe und Sie nicht Leuchtturm gesagt haben.' 'Tut mir leid.' Eric Nash faltete die Hände auf dem runden Besprechungstisch und verzog mitfühlend das Gesicht. 'Sie haben sich nicht verhört. Leider.' Ben schloss die Augen und hatte Mühe, sich ein Stöhnen zu verkneifen. 'Ich nehme an, Ihnen war nicht bewusst, dass zum Erbe Ihres Großvaters diese einzigartige Immobilie gehört.' 'Nein.' Ben trank einen kräftigen Schluck von seinem Kaffee und hoffte, das Koffein würde ihm helfen, klarer zu denken. Die gewünschte Wirkung blieb jedoch aus. Leider war dieser Kaffee nicht so stark wie das Gebräu in den Militärlazaretten in Übersee, wo er die letzten sieben Jahre verbracht hatte. Im Moment konnte er einen starken Koffeinstoß gut vertragen. 'Es ist der Leuchtturm von Hope Harbor.' Der Anwalt deutete in Richtung Norden. 'Vielleicht erinnern Sie sich aus Ihren früheren Besuchen in Hope Harbor an den Turm. Ihr Großvater erzählte, dass er oft abends mit Ihnen einen Spaziergang zum Leuchtturm gemacht hat.' Das Bild von dem 20 Meter hohen, verwitterten Leuchtturm aus dem Jahr 1872 tauchte vor Bens geistigem Auge auf. Trotz der Kopfschmerzen, die wie aus dem Nichts aufgetaucht waren, verzogen sich seine Mundwinkel zu einem Lächeln. Ja, an diese Spaziergänge erinnerte er sich noch sehr gut. Sie waren ein abendliches Ritual gewesen, als er in seiner Kindheit mehrere Jahre lang die Sommerferien bei seinem Großvater verbracht hatte. Sie waren nach dem Abendessen, egal ob der Himmel blau oder bewölkt gewesen war, immer von Skips kleinem Haus in der Stadt den gewundenen, steinigen Weg zum Leuchtturm marschiert. Die Aussicht von dort oben war atemberaubend gewesen. Und die Geschichten, die Skip erzählt hatte - von Schiffswracks und gefährlichen Wellen und dem rettenden Lichtstrahl, der die Seeleute in stürmischen Nächten sicher nach Hause geführt hatte -, hatten seine kindliche Fantasie angeregt. Aber dieser Leuchtturm hatte seinem Großvater nicht gehört. Seitdem er mit 16 das letzte Mal die Ferien hier verbracht hatte, waren zwanzig Jahre vergangen. Auch bei seinen Kurzbesuchen im Laufe der Jahre war der Leuchtturm nie Thema gewesen. Wie war Skip in den Besitz eines solchen Gebäudes gekommen? 'An den Leuchtturm erinnere ich mich sehr gut. Aber wa- rum gehört er meinem Großvater?' Ben legte seine Hände um die Porzellantasse, um sich ein wenig aufzuwärmen. 'Nachdem die Küstenwache vor drei Jahren den Betrieb eingestellt hat, bot der Staat den Leuchtturm der Stadt Hope Harbor an. Aber die Renovierungs- und Instandhaltungskosten waren zu hoch. Deshalb hat die Stadt abgelehnt, den Turm zu kaufen. Schließlich wurde er versteigert.' Ben ahnte schon, wie die Geschichte weitergegangen war. Skip hatte diesen Leuchtturm geliebt. Und alles, wofür er stand: Licht in der Dunkelheit. Orientierung bei stürmischem Gewässer. Rettung vor dem drohenden Untergang. Hoffnung für verlorene Seelen. 'Ich nehme an, mein Großvater hat das höchste Gebot abgegeben.' 'Er hat das einzige Gebot abgegeben. Der Leuchtturm war in den letzten zwei Jahren sein Baby. Für einen Leuchtturm war der Kaufpreis akzeptabel, und soweit ich es verstanden habe, war die Renovierung eine Herzensangelegenheit. Aber sie hat auch viel Geld verschlungen. Deshalb konnte er Ihnen abgesehen von dem Haus und seinen persönlichen Dingen leider nicht viel hinterlassen.' 'Auch ohne die Ausgaben für den Leuchtturm habe ich nicht erwartet, dass ich ein großes Vermögen erben würde.' Wer sein Leben damit verbracht hat, Taschenkrebse zu fangen, hat keine Reichtümer angehäuft. Das gelang höchstens den großen Fischereibetrieben. Wenn die Renovierungs- und Instandhaltungskosten für den Leuchtturm sogar für eine Stadt zu hoch waren, war es überraschend, dass ihm Skip überhaupt etwas hinterlassen hatte. Aber was in aller Welt sollte er mit dem Turm machen? 'Der Leuchtturm befindet sich leider in keinem besonders guten Zustand, obwohl Ihr Großvater viel Arbeit hineingesteckt hat. Nachdem seine Knieprobleme einsetzten, konnte er selbst nicht mehr viel körperliche Arbeit leisten und Handwerker verlangen für solche Arbeiten viel Geld. Einige Stadtbewohner haben gelegentlich mit angepackt, aber die Renovierungsarbeiten kamen nur sehr schleppend voran.' War der Leuchtturm möglicherweise einsturzgefährdet? Ben schob diesen Gedanken von sich. Viel mehr interessierte ihn die andere neue Information, die er soeben gehört hatte: 'Welche Knieprobleme?' Der Anwalt legte den Kopf schief. 'Davon wussten Sie nichts?' 'Nein. In seinen E-Mails schrieb er immer, dass es ihm gut gehe. Wir haben nicht oft telefoniert, aber bei unseren Gesprächen war er immer gut gelaunt.' 'Vielleicht wollte er nicht, dass Sie sich Sorgen machen, da Ihr Beruf Ihnen so viel abverlangt.' Ja. So schätzte er Skip auch ein. Sein Großvater hatte gewusst, dass Militärärzte, die nahe an der Front arbeiten, unter großem Stress stehen und dass ihr Leben von Adrenalin und Tempo bestimmt wird. Darüber hatten sie oft gesprochen. Außerdem war Ned Garrison nie der Typ gewesen, der andere Menschen mit seinen Problemen belasten wollte. Aber Ben war schließlich sein Enkel. Familie. Und er verdankte Skip so viel. Was wäre wohl ohne jene Sommerwochen bei seinem Großvater aus ihm geworden? Nach der schmerzhaften Scheidung seiner Eltern waren sie sein einziger Lichtblick gewesen. Für den Mann, der damals seine Rettung gewesen war, hätte er alles getan. Ben trank einen weiteren Schluck von dem Kaffee, der nur noch lauwarm war. Er musste Zeit gewinnen, um seine aufgewühlten Gefühle in den Griff zu bekommen. 'Erzählen Sie mir bitte von seinen Knieproblemen.' 'Ihr Großvater hat sich nie lange mit unerfreulichen Themen aufgehalten, aber soweit ich weiß, hatte er Arthritis, ziemlich schwer sogar. Kurz nach dem Kauf des Leuchtturms hat er sich für ein neues Kniegelenk entschieden. Eine Infektion setzte ein und eine Nachoperation wurde nötig. Als diese auch nicht half, wurde eine dritte Operation vorgenommen, bei der ein Metall eingesetzt wurde. Danach war er gehbehindert und seine körperlichen Aktivitäten waren stark eingeschränkt. Im Leuchtturm konnte er nicht mehr viel machen. Deshalb beschloss er vor vier Monaten, ihn zum Verkauf anzubieten.' 'Wer hat ihn denn operiert?' Ben schob entschlossen das Kinn vor. Falls der Arzt bei seinem Großvater gemurkst hatte, würde er ihn zur Rechenschaft ziehen. Warum hatte Skip sich nicht an ihn gewandt? Ben hatte beim Militär zwar nicht oft ein künstliches Knie eingesetzt, aber er war orthopädischer Chirurg! Er hätte sich über Skips Fall informieren und sich erkundigen können, ob der Chirurg, für den sein Großvater sich entschieden hatte, wirklich gut war. Eric blätterte in den Papieren, die vor ihm lagen, und zog ein Blatt heraus. 'Jonathan Allen in Coos Bay. Ich finde in den Unterlagen keinen Hausarzt, der Ihr...

ISBN:

9783963621253
3963621257

Erscheinungsdatum:

28.01.2020

Bindung:

Hardcover, Kartoniert
Weiterstöbern: